Kommunaler Straßenbau: Welche Beiträge fallen für Bürgerinnen und Bürger (nicht) an?

Stand: März 2024

Straßenausbaubeiträge

Die Straßenausbaubeiträge in Nordrhein-Westfalen sind abgeschafft. Das entsprechende Gesetz der schwarz-grünen Landesregierung wurde Ende Februar im Landtag beschlossen. Damit haben wir einen Schlussstrich unter einen jahrelangen Streit in der Landespolitik gezogen.

Lange Zeit wurden mit den Straßenausbaubeiträgen, verankert im Kommunalabgabengesetz für NRW (KAG NRW), Grundstückseigentümer*innen an den Kosten für Ausbaumaßnahmen und Verbesserungen an ihrer Straße beteiligt. Nicht häufig wurden dabei Anlieger*innen mit Kosten in fünfstelliger Höhe überrascht und mussten somit für Straßenbaumaßnahmen zahlen, über die sie nicht selbst entscheiden und von denen sie nicht immer selbst profitieren konnten. Von vielen wurden die Straßenausbaubeiträge daher als ungerecht empfunden und konnten durchaus eine finanzielle Überforderung darstellen.

Als Grüne haben wir uns seit Längerem für eine Abschaffung dieser Beiträge eingesetzt und dies auch noch einmal im Koalitionsvertrag von GRÜNEN und CDU festgehalten.

Wichtig war uns dabei eine vollständige, gesetzliche Abschaffung. Denn de facto mussten Anlieger*innen für alle ab dem 1.1.2018 beschlossenen Straßenausbaumaßnahmen bereits jetzt schon keine Beiträge mehr zahlen. Für die Entlastung von diesen Maßnahmen besteht bereits seit 2020 ein Förderprogramm des Landes NRW, mit dem die Anlieger*innen aller ab dem 1.1.2018 beschlossenen Straßenausbaumaßnahmen vollständig, also zu 100%, von Straßenausbaubeiträgen entlastet werden können. Voraussetzung ist, dass die jeweilige Kommune einen entsprechenden Förderantrag beim Land stellt. Eine gesetzliche Abschaffung, die dieses Förderprogramm nun für alle ab dem 1.1.2024 beschlossenen Maßnahmen ablöst, war aus unserer Sicht notwendig, damit sowohl Kommunen als auch die Anlieger*innen Planungssicherheit haben. Außerdem entlastet eine gesetzliche Abschaffung die kommunalen Verwaltungen, denn der bürokratische Aufwand zur Abrechnung der Beiträge über das Förderprogramm war hoch.

Die neue gesetzliche Regelung besagt nun, dass alle Straßenausbaumaßnahmen, die ab dem 01.01.2024 beschlossen werden oder ab dem Jahr 2024 im kommunalen Haushalt stehen, einem sogenannten Erhebungsverbot unterliegen. Die Kommune darf für diese Baumaßnahmen dann also keine Beiträge mehr von den Bürgerinnen und Bürgern erheben. Stattdessen können Städte, Gemeinden und Kreise die ihnen entgehenden Einnahmen gegenüber dem Land geltend machen. Damit wird das bisherige Förderprogramm in einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kostenersatz gegenüber dem Land gewandelt und die Abrechnung wesentlich vereinfacht. Den Kommunen geht mit der Gesetzesänderung also kein Geld verloren. Für Straßenausbaumaßnahmen, die zwischen dem 01.01.2018 und dem 01.01.2024 beschlossen wurden, gelten die bisherigen Regelungen mit der Erstattung über das Förderprogramm weiterhin. Die Veränderungen sind hier im Detail nachzulesen.

Während der Beratung des Gesetzentwurfs war eine zentrale Frage, ob der Stichtag 01.01.2018 beibehalten werden soll. Viele Bürger*innen, aber auch einige Sachverständige und die demokratische Opposition haben sich dafür ausgesprochen, den Stichtag nach vorne zu ziehen oder einen Härtefallfonds für Maßnahmen aus diesem Zeitraum einzuführen, damit noch mehr Anlieger*innen von der Beitragsfreiheit profitieren könnten. Als regierungstragende Fraktionen haben wir uns mit den Vorschlägen eingehend beschäftigt, sind aber in der Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass die Beibehaltung des Stichtags 01.01.2018 vor dem Hintergrund der schwierigen Finanzlage des Landeshaushalts die einzige seriöse und damit verlässliche Lösung ist. Darüber hinaus spielen auch Argumente der Gerechtigkeit und Rechtssicherheit eine wichtige Rolle, denn ein Vorziehen des Stichtags würde wieder neue Abgrenzungsschwierigkeiten nach sich ziehen, etwa zwischen Maßnahmen, die vor 2018 beschlossen wurden und bereits abgerechnet wurden, und Maßnahmen, die vor 2018 beschlossen, aber noch nicht abgerechnet wurden, und die somit überhaupt erst unter einen teilweise geforderten Härtefallfonds fallen könnten. Vor diesem Hintergrund bleibt der Stichtag 01.01.2018 erhalten.

Ich begrüße ausdrücklich, dass wir mit der nun beschlossenen gesetzlichen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in NRW eine verlässliche und dauerhafte Lösung für ein lange ungelöstes landespolitisches Streitthema finden konnten. Mit der gefundenen Lösung werden nicht nur die betroffenen Anliegerinnen und Anlieger, sondern auch die Gerichte des Landes und die Kommunalpolitik von vielen Konflikten entlastet.

 

Erschließungsbeiträge/Abgaben zum Vorteilsausgleich

Zu unterscheiden von den Straßenausbaubeiträgen sind die sogenannten Erschließungsbeiträge. Hierbei handelt es sich um Beiträge, die anfallen, wenn eine Straße erstmalig „erschlossen“, also vereinfacht gesagt: gebaut, wird. Dann werden die Anlieger*innen an den Kosten beteiligt, denn sie profitieren unmittelbar davon, dass ihr Grundstück an das Straßennetz angeschlossen wird. Aus diesem Grund sind Erschließungsbeiträge auch absolut fair und berechtigt. Denn ohne sie würde die Allgemeinheit für einen überwiegend privaten Vorteil zur Kasse gebeten.

Die rechtliche Grundlage für die Erschließungsbeiträge findet sich ebenfalls im KAG NRW. Der korrekte Name für die Beiträge lautet dort in § 12a „Abgaben zum Vorteilsausgleich“, bekannt sind sie aber häufig unter dem Namen Erschließungsbeiträge. Im Frühjahr 2023 gab es eine Gesetzesänderung im Hinblick auf diese Beiträge, die zu einigen Diskussionen im Land geführt hat. Hier stelle ich daher die Notwendigkeit und die Gründe für die Gesetzesänderung sowie die konkreten Auswirkungen der Veränderungen noch einmal ausführlich dar.

 

Warum wurde das Gesetz geändert?

Da die Regelungen weniger als ein Jahr zuvor schon einmal von der Vorgängerregierung geändert wurden, stellt sich die Frage, warum überhaupt Handlungsbedarf bestand. Mit dem Gesetz setzt das Land NRW nun aber ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 03. November 2021 erstmals vollständig um. Im Urteil hatte das BVerfG festgelegt, dass die Möglichkeit zur Erhebung kommunaler Abgaben zum Vorteilsausgleich, also der „Beiträge“, per Gesetz zeitlich zu befristen ist. Für diese Befristung wurde zuvor durch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts ein Maximalzeitraum von 30 Jahren ab Eintritt der Vorteilslage* definiert. Das BVerfG hat jedoch auch festgestellt, dass dieser Maximalzeitraum von 30 Jahren nicht grundgesetzkonform ist.

Das angesprochene Gesetz der Vorgängerregierung aus CDU und FDP hatte nach unserem Rechtsverständnis leider erhebliche Mängel und hat das Urteil nicht vollständig umgesetzt. Entgegen der Forderung des BVerfG war ausschließlich die Erhebung von Erschließungsbeiträgen zeitlich begrenzt. Alle anderen kommunalen Beitragsverfahren zum Vorteilsausgleich blieben unberührt. Um das Urteil des BVerfG vollständig umzusetzen, ist jedoch eine gesetzliche Begrenzung aller im KAG NRW geregelten Abgaben notwendig. Die durch das neue Gesetz umgesetzte Überführung der zeitlichen Begrenzung für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen ins KAG NRW, die zuvor noch in § 127 BauGB geregelt war, dient dabei insbesondere der Transparenz und Rechtsklarheit für die Beitragspflichtigen.

Darüber hinaus bestanden erhebliche Zweifel an der Rechtssicherheit der 2022 eingeführten Rückwirkungsfrist von 25 Jahren ab „Spatenstich“ nach § 3 Abs. 4 BauGB-AG NRW, der sogenannten Spatenstichregelung. Dazu gibt es weiter unten noch eine ausführliche Erläuterung.

 

Was sind die zentralen Inhalte des neuen Gesetzes?

Die Gesetzesänderung umfasste nicht ausschließlich die Erschließungsbeiträge. Die Änderung verfolgte insbesondere das Ziel, das kommunale Beitragsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen zu vereinheitlichen und so einfacher, transparenter und rechtssicher zu gestalten:

  • Dazu wurden die vorher im Baugesetzbuch-Ausführungsgesetz NRW (§3 BauGB-AG NRW) gesondert geregelten zeitlichen Grenzen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (nach § 123 ff. BauGB) in das KAG NRW überführt.
  • Gleichzeitig wurde eine einheitliche zeitliche Obergrenze („Verjährungsfrist“) für alle im KAG NRW geregelten kommunalen Beitragsarten eingeführt. Diese Frist beträgt nun für alle kommunalen Beitragsverfahren einheitlich 20 Jahre ab dem Eintritt der sogenannten „Vorteilslage“*.
  • Damit Städten und Gemeinden Zeit bleibt, ihre Verfahren auf die neue Gesetzeslage auszurichten gilt auch weiterhin die Übergangsfrist bis 2027 für laufende Verfahren. So kann die Frist für beitragspflichtige Maßnahmen, die zwischen 2002 und 2006 fertig gestellt wurden, bis maximal zum 31.12.2027 verlängert werden.
  • Die zuvor in §3 Abs.4 BauGB-AG vorgesehene Rückwirkungsfrist von 25 Jahren ab Erschließungsbeginn (sog. „Spatenstichregelung“) war nach der aktuellen Rechtsauffassung der Landesregierung und anerkannter rechtswissenschaftlicher Sachverständiger nicht grundgesetzkonform und musste daher entfallen.

Der Wegfall der sogenannten Spatenstichregelung

Von der Vorgängerregierung aus CDU und FDP war 2022 eine „Verjährungsfrist“ von 25 Jahren nach dem ersten Spatenstich eingeführt worden. Das bedeutet, dass die Beiträge spätestens 25 Jahre nachdem zum ersten Mal an der Straße gebaut wurde, abgerechnet sein mussten.

Wie oben beschrieben, war diese Regelung jedoch nach der aktuellen Rechtsauffassung nicht zweifelfrei rechtskonform und somit weder für Anlieger*innen noch für Kommunen rechtssicher. Daher musste diese sogenannte „Spatenstichregelung“ entfallen.

Durch den Wegfall dieser Rückwirkungsfrist werden alle Straßen wieder beitragspflichtig, die erst nach 2002 für die Anlieger*innen erstmalig erkennbar technisch benutzbar war, also die sogenannte Vorteilslage nach 2002 eingetreten ist. Dies gilt abweichend von der „alten“ Gesetzeslage auch dann, wenn der Bau der betreffenden Straße bereits vor 1997 begonnen hat, also der „Spatenstich“ länger als 25 Jahre her ist. Ab 2027 greift dann die Verjährungsfrist von 20 Jahren nach Eintritt der Vorteilslage*.

Trotzdem bedeutet die Gesetzesänderung nicht, dass nun wieder Erschließungsbeiträge für Grundstücke erhoben werden könnten, die schon vor vielen Jahrzehnten entwickelt wurden. Mit dem neuen Gesetz wird die Möglichkeit zur Beitragserhebung für alle laufenden und zukünftigen Erschließungsverfahren (sowie für alle anderen Beitragsverfahren zum Vorteilsausgleich nach dem KAG NRW) gleichermaßen auf maximal 20 Jahre nach dem Eintritt der Vorteilslage begrenzt. Das zuständige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Digitalisierung (MHKBD) hat einen Erlass zur Klarstellung dieser Regelung angekündigt.

 

 

 

*Exkurs: Was versteht man unter dem „Eintritt der Vorteilslage“?

Der unbestimmte Rechtsbegriff des „Eintritts der Vorteilslage“ ist durch die über Jahrzehnte gewachsene Rechtsprechung inzwischen sehr klar definiert. Dabei zielt die Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs auf die erstmalige für die Anlieger*innen (als Laien) erkennbare technische Benutzbarkeit. Anders als bei der ansonsten die Beitragsabrechnung auslösenden abschließenden „Widmung“ einer Gesamtmaßnahme, ist also unerheblich, ob die Erschließungsanlage dem gemeindlichen Bauprogramm vollständig entspricht. Somit haben die Kommunen bei der Feststellung der erkennbaren technischen Benutzbarkeit keine entscheidenden Möglichkeiten, den Zeitpunkt des Eintretens dieser Bedingung „künstlich“ hinauszuzögern, insofern sie die Erschließungsanlage zur Nutzung freigeben wollen.